Dore-Jacobs-Berufskolleg

Das Bundeshaus in den 50ern

Seit 1925 bestand in Rellinghausen die „Bundesschule für Körperbildung und rhythmische Erziehung“ unter Leitung ihrer Gründerin, der Jüdin Dore Jacobs, geb. Marcus (1894 – 1978).

Artur und Dore Jacobs

Sie bildete Gymnastiklehrerinnen und -lehrer aus, u.a. auch für die religionslosen „Freien Schulen“. Die Schule war mit dem „Bund – Orden für sozialistische Politik und Lebensgestaltung“ verbunden. Dieser war von Dore Jacobs Ehemann, dem aus dem Staatsdienst entlassenen ehemaligen Studienrat Dr. Artur Jacobs ( 1880 – 1968 ) gegründet worden.

Seit Sommer 1927 hatte der „Bund“ bzw. der „Orden“ hier sein „Bundeshaus“ errichtet in Gestalt dieses geräumigen Holzhauses im Blockhausstil. „Bund“ und „Schule“ lebten und arbeiteten in diesem Haus zusammen. Bewegungsbildung und Menschenbildung sollten Hand in Hand gehen.

Beim Bund handelte es sich um eine eigenständige Gemeinschaft, die aus unterschiedlichen Bewegungen zusammenfand, z.B. der Jugend-, Arbeiter- und Frauenbewegung. Sie erstrebte im Ruhrgebiet im Rahmen der Volkshochschulbewegung nach dem Ersten Weltkrieg programmatisch eine Verbindung von Sozialismus und Kant’scher Ethik und politischem Einsatz und trat für deren persönliche und gesellschaftliche Verwirklichung ein. Angestrebt wurde eine sozialistische Lebensform, die den ganzen Menschen – Leib, Seele und Geist – umfassen sollte.

Der in seiner frühen Zeit aus etwa 200 Personen bestehende „Orden“ verpflichtete seine Mitglieder einen „Auftrag zu erfüllen, der über seine materielle Lebenssicherung und seine natürliche Existenz hinausreicht“. Die Mitgliedschaft rekrutierte sich sowohl aus Arbeiterinnen und Arbeitern wie vor allem aus Lehrerinnen und Lehrern. Diese unterschieden sich insbesondere von völkisch organisierten Gruppen, in dem sie jede Form von Rassismus und Antisemitismus vehement ablehnten und bekämpften.

Dore Jacobs leitete zusammen mit Lisa Jacob hier im „Bundeshaus“ weiter die „Bundesschule“. Sie bildeten vornehmlich junge Menschen hauptberuflich zu Gymnastiklehrerinnen und-lehrern aus.

Katholische Notkirche als Mieter (1934 – 1947)

Mit der Auflösung der Schule – wegen der sozialistischen Prinzipien und ihrer jüdischen Leiterinnen – durch die Nationalsozialisten wurde der untere Teil des Hauses im Januar 1934 an die katholische Kirche vermietet. Diese richtete hier bis 1947 eine Notkirche und einen Kindergarten für den Bereich Heide ein. Dadurch getarnt, konnte der offiziell aufgelöste „Bund“ in der oberen Etage nach dem Beginn der systematischen Vernichtung der Juden ab 1941 wiederholt verfolgten Juden Obdach bieten und von dort deren Untertauchen organisieren. Auch Lisa Jacob, später dann Dore Jacobs waren gezwungen, vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten unterzutauchen.

Nach dem Krieg 1945 nahmen der „Bund“ und die „Bundesschule“ ihre Arbeit wieder auf, ab 1948 hier in diesem Blockhaus, und bildeten wieder Gymnastiklehrerinnen und -lehrer aus. Im unteren Stockwerk wurde ein Montessori – Kindergarten eingerichtet. Der strenge Ordenscharakter des früheren „Bundes“ wurde damals aufgegeben: „Eine veränderte Welt fordert neues Besinnen, neue Deutungen, neue Zielsetzungen, neue Lebensformen“, hieß es.

Dore Jacobs übergab nach dem Krieg 1945 die Leitung der Schule an Lisa Jacob, war aber als Lehrerin noch Jahre tätig. Lisa Jacob gab die Leitung 1970 weiter. 1986 wurde die Schule dann bezogen auf ihre Gründerin in „Dore-Jacobs-Schule“ umbenannt. Heute wird die Ausbildungsstätte als „Dore-Jacobs-Berufskolleg“ weitergeführt.

Text: Dr. Klaus Lindemann

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